Es ist 38 Grad heiß Mitte August in Denizli, Westtürkei, und wir sitzen mit unseren türkischen Partnern und ihrer kleinen Tochter im Auto auf dem Weg zu einer unserer Betriebsstätten. Wir fahren schon eine gute dreiviertel Stunde, als wir endlich von der Autobahn abbiegen. Das Dorf, das wir ansteuern, liegt auf einem Hügel, und das Auto ächzt, als wir mehrfach steile Hänge überwinden. Während es sich nach oben kämpft, genießen wir den fantastischen Ausblick über die grün bewachsenen Hänge ringsherum. Ein letzter Steilhang, und wir schieben Steine unter die Reifen des Autos - wir sind da. Im hellen Sonnenlicht erblicken wir ein Tor, das in einen Hof führt.
Als wir hindurchschreiten, finden wir uns in einer Idylle wieder, in der die Zeit stehen geblieben ist. Es hängen Auberginen, Paprika und Chillischoten an einer Leiner in der Sonne, um sie zu trocknen und für den Winter einzulagern. Das Toilettenhäuschen ist aus Holz und sehr einfach gehalten. Mehrere Katzen kommen uns entgegen und hungern nach Aufmerksamkeit, eine Badewanner voll Wasser zum Händewaschen, und schließlich das freundliche Gesicht der Frau, die hier mit ihrem Mann und ihrer Tochter über die Sommer wohnt. Ganz der türkischen Gastfreundschaft ergeben sitzen wir mit der Familie um einen Tisch und trinken türkischen Tee. Es ist heiß, aber der Ausblick und diese angenehme Atmosphäre entschädigen uns.
Nachdem die Teegläser mehrfach geleert wurden, gehen wir endlich rüber in die Produktion - nicht, dass man das laute Knattern der semi-automatischen Webstühle nicht schon die ganze Zeit in der Geräuschkulisse vernommen hat - und wir sehen vier große Webstühle, die auf Hochtouren arbeiten. Ein Arbeiter grinst uns mit der Zigarette im Mund an und stellt die Maschinen ab, damit wir uns unterhalten können. Unser türkisch ist dürftig, aber unsere Partner helfen uns mit der Verständigung.
Die technischen Details sind zu komplex, als dass man sie als Laie wirklich durchdringen könnte, aber man kann deutlich spüren und sehen, dass hier echte Handwerkskunst fabriziert wird. Wir erspähen unsere Decken und Tücher, die gerade mitten im Webprozess stecken; leuchtende Farben und wilde Muster, aber auch sanfte Erdtöne. Als der Familienvater die Maschinen wieder anschaltet, beoabchten wir fasziniert, wie der sogenannte Schütze den Schussfaden aufreiht und die Schäfte des halbautomatischen Webstuhls sich auf und ab bewegen, sodass wir - und ihr - am Ende des Prozesses eure wunderschöne handgemachte Decke, euer türkisches Handtuch oder euren Schal in Händen haltet.
Als wir wieder aus dem kühlen Halbdunkel in die gleißende Mittagshitze treten, wirkt der kleine Hof als gäbe es nichts Friedlicheres. Um uns herum streunende Katzen, die sich an unsere Beine schmiegen, und stapelweise fertig produzierte türkische Decken im klassischen Rautenmuster und wunderschönen Designs. Der Mann kommt auf mich zu und sagt etwas auf Türkisch. Unsere Partner aus Denizli übersetzen: ‘Das hier sind eure.’ Er deutet auf einen Stapel royalblauer Marmaris Decken und einen bunten Stapel Antalya Schals. Es ist schwer zu glauben, dass diese Produkte hier fernab von aller Hektik in diesem idyllischen Bergdorf Stück für Stück produziert werden, um dann irgendwo ganz als Überwurf auf einer Couch zu landen oder um den Hals als Schal getragen zu werden.
Als wir uns schließlich verabschieden und die steilen Serpentinen zurück nach Denizli fahren, einen kurzen Stop einlegen, um traditionelle türkische Simit zu essen, und uns über die Werkstatt unterhalten, sind mir vor allem die Bilder der Familie im Kopf, ihre Gastfreundschaft und Offenheit, und wir nehmen uns vor, bald wieder hinzufahren.
